Niklas Deutschmann

Europäische Alternativen zu Microsoft, Facebook & Co

Spätestens seit Trump II ist es offensichtlich, dass Europa in vielen Bereichen mehr auf eigenen Füßen stehen muss, dazu gehört neben den miltärischen Fähigkeiten (darauf werde ich jetzt nicht näher eingehen) vor allem das Digitale. Ich habe in den letzten Monaten - aber auch schon davor - versucht, Hardware, Software und Dienste von US-Tech-Giganten durch europäische Alternativen zu ersetzen. In einigen Bereichen war ich dabei sehr erfolgreich, in anderen ist es sehr schwierig. Ich möchte mal einen kleinen Überblick geben:

Hardware

Hier gibt es zur Zeit (neben dem PC) ein iPhone 12 mini (Apple), eine Sportuhr von Garmin und einen Radcomputer von Wahoo. Solange diese Hardware funktioniert, werde ich sie auch weiterbenutzen. Würde ich jetzt eine neue Sportuhr kaufen, käme möglicherweise Polar (Finnland) in Frage und beim Radcomputer der deutsche Hersteller Sigma

Betriebssysteme

Gerade auf dem PC von Windows 10 auf Linux Mint umgestiegen, das ist aber nichts neues - ich hatte seit ca. 1999 immer wieder mal Linux auf meinen Rechnern (SuSE, Debian, Ubuntu seit der ersten Version 2004 und Elementary OS, etwa in dieser Reihenfolge). Auf dem Smartphone ist natürlich iOS nicht ersetzbar, Android höchstens durch eine Google-freiere Variante. Wenn das iPhone den Geist aufgibt, käme evtl. ein Google Pixel mit Graphene OS in Frage.

Browser

Firefox statt Internet Explorer, Chrome oder Edge - das war schon immer so. Nehme ich gar nicht als bewussten Schritt wahr.

E-Mail

Ähnlich - statt Google Mail oder Outlook schon sein 2014 Posteo, eine kleiner und symphatischer Anbieter aus Berlin, bei dem ihr ab 1 Euro/Monat (abhängig vom gewünschten Speicherplatz) dabei seid. Vorher auch schon die üblichen deutschen Freemail-Anbieter (GMX, Web.de und Strato)

Messenger

WhatsApp ist installiert, aber deutlich mehr Kontakte habe ich bei Signal und einige wenige bei Threema. Telegram spielt keinerlei Rolle mehr.

Office

LibreOffice statt Microsoft war im privaten Bereich schon immer so (früher hieß es OpenOffice), ebenfalls ein absoluter „No-Brainer". Etwas schwieriger ist es bei den browserbasierten Office-Programmen. Ich benutze diese nicht besonders oft, habe aber trotzdem mal einen Account bei CryptPad angelegt. Es ist aber deutlich hakeliger als Google Drive und fühlt sich weniger geschmeidig und desktop-artig an.

Soziale Netzwerke

Sicher das spannende und emotionalste Kapitel.
X habe ich schon zu Silvester 2022, kurz nach der Übernahme durch Elon Musk, verlassen, als es noch Twitter hieß. Der einzige Ersatz war zunächst nur Mastodon, einige Kontakte sind aber auch zu Bluesky gewandert, ein kommerzielles, aber deutlich kleineres und bis jetzt halbwegs vernünftiges US-Unternehmen, dessen Netzwerk deutlich an das „alte" Twitter erinnert.
Instagram hat sich bis vor kurzem hartnäckig gehalten, wenn auch mit viel Schauen und wenig selbst Posten. Ende April 2025 war damit aber auch Schluss.
Facebook war schon immer eine On-Off-Geschichte, zuletzt war ich 2024 für ein paar Monate während dort (während des StuB-Wahlkampfs hier in Erlangen)
Bei LinkedIn, TikTok und Threads hatte ich noch nie einen Account und plane es auch nicht.
Schwer zu ersetzen bleiben Strava, Reddit und YouTube - letzteres betreibe ich auch nur im „passiven" Modus.

Kartendienste

Hier ist Google Maps für viele Dinge schwer zu ersetzen (bzw. ich habe es noch nicht wirklich ausprobiert). Street View dient natürlich auch als Grundlage für Geoguessr, das ich oft spiele.
Im Wander- und Fahrradbereich hat sich aber der BikeRouter sehr bewährt (so sehr, dass ich z.B. extrem selten Komoot benutzt habe), und als mobile App ist CoMaps sehr vielversprechend.

KI

Wie schon gesagt, das superheiße Thema im Moment und auch sehr umstritten! Ich habe die bewusste Entscheidung getroffen, als einzige KI-App auf dem Smartphone das französische Mistral zu installieren und benutze es recht sparsam (hauptsächlich, um Bildbeschreibungen für Posts bei Mastodon und Bluesky zu generieren). Bei den gerade beschriebenen Programmierexperimenten bin ich aber stark auf US-Modelle angewiesen (GPT 5, Claude 4). Ich habe auch die bewusste Entscheidung getroffen, für KI privat kein Geld auszugeben - die Kosten dürften grob mit dem Token-Verbrauch bzw. der Rechenleistung korrellieren und diese mit den CO2-Emissionen.

Softwareentwicklung

Gerade auch von GitHub zu Codeberg gewechselt - auch die Seite, die ihr hier gerade lest, liegt dort. Ob ich wirklich dauerhaft ohne GitHub-Account auskommen kann, ist aber fraglich, wenn ich zu anderen Open-Source-Projekten etwas beitragen oder die diversen Dienste nutzen möchte, die einen GitHub-Account voraussetzen.

Shopping und E-Books

Ein Account bei Amazon ist auch vorhanden, wird aber nicht sehr stark benutzt, vielleicht 3-4 Einkäufe im Jahr. Als E-Book-Reader habe ich seit Ende 2022 (oder so) einen Tolino.

Streaming und Musik

Hierzu kann ich nicht so viel sagen, da ich kein großer Film- oder Serienjunkie bin und mir für Dokus YouTube und die öffentlich-rechtlichen Mediatheken meistens ausreichen. Ich hatte für einige Jahre Netflix (im Moment aber nicht) und habe auch schon einige Male Spielfilme bei Amazon Prime Video geschaut. Welcher Streaming-Dienst der geeignetste ist, hängt auch stark von den eigenen Lieblingsserien und Vorlieben ab.
Ähnlich bei Musik - hier habe ich bis jetzt immer Apple Music benutzt. Spotify, der dominierende Konzern hier, der in vielen Bereichen fragwürdig ist, ist auch kein US-amerikanisches, sondern ein schwedisches Unternehmen.

Summer of AI

Künstliche Intelligenz ist ja spätestens seit dem Erscheinen von ChatGPT Ende 2022 das superheiße Thema und hat vorherige Tech-Hypes wie Kryptowährungen weitgehend abgelöst. Ich hatte da natürlich meine Ausprobierphase, aber insgesamt war die Entwicklung bis vor kurzem so, dass mein Bild immer negativer wurde. Grund dafür sind z.B. der immense Ressourcenverbrauch, die noch weitergehenden Möglichkeiten, die öffentliche Meinung zu manipulieren, und auch die enge Bande zwischen vielen Silicon-Valley-Größen und der Trump-Administration. Es wird hier in diesem Podcast ganz gut zusammengefasst. Ich habe schon angefangen, an meinem Beruf zu zweifeln, und mich zu fragen, ob ich überhaupt damit in Verbindung gebracht werden möchte.

Das hat sich in den letzten 2-3 Wochen ein wenig geändert. Ich habe nämlich das sogenannte „Vibe Programming" für mich entdeckt. Der Begriff ist erst Anfang diesen Jahres entstanden und bezeichnet eine Art des Programmierens, bei der der Code zu (fast) 100% von einer KI generiert wird, so dass man nur noch mit Anweisungen in natürlicher Sprache formuliert, wie das Programm sich verhalten soll. Im Beruf kannte ich zwar schon ein KI-Tool, die Nutzung beschränkte sich aber im Wesentlichen darauf, die KI wie eine Suchmaschine zu fragen, oder vielleicht mal ein paar Kommentare, Doku oder Tests zu generieren. Bei einer deutlich sechsstelligen Anzahl Codezeilen ist man natürlich auch sehr vorsichtig und möchte nichts kaputtmachen. Vollgas geben, und wirklich mal testen, was geht, kann ich nur zu Hause.

Das begann mit Claude und einer kleinen Timer-App. Schon hier war es beeindruckend, einfach sagen zu können „Bau mal das ganze Progressive-Webapp-Zeug ein, damit es auf dem Smartphone gut aussieht" - aber ich musste auch ein paar Dinge von Hand reparieren. Als nächstes kam dann etwas, was ich schon immer mal haben wollte: Die Möglichkeit, in meinem sehr geschätzten GeoGuessr die in den letzten Monaten „besuchten" Orte als KML-Datei zu exportieren, um sie in Google Earth usw. darstellen zu können. Hier wurde schon eine „inoffizielle" API benutzt und ich achtete ein wenig darauf, den Server nicht mit Requests zu bombardieren, um nicht den Account gesperrt zu bekommen.

Das aktuelle Projekt ist ein Bot, der sich von einer inoffiziellen, aber öffentlichen REST-Schnittstelle der Stadt Erlangen die aktuellen und geplanten Baustellen im Stadtgebiet holt und neu eingetragene Baustellen bei Mastodon und Bluesky postet. Später habe ich auch noch eine Unterstützung für den E-Mail-Versanddienst Resend und die Baustellen der Stadt Nürnberg eingebaut.

Was habe ich jetzt bei dem Ganzen gelernt?

  1. Es ist cool, mal wieder ein paar Hobbyprojekte zu haben. Die paar, die ich vorher auf Github hatte, waren sehr klein und/oder sehr angestaubt.
  2. Man kann jetzt Dinge in Programmcode gießen, so schnell, wie man denken kann. Nicht mehr nur so schnell, wie man den Programmcode tippen kann. Man muss es nur noch in natürlicher Sprache tippen (viel kompakter)
  3. Das lässt es für das Management so attraktiv aussehen. Das Management bleibt in dieser Stufe der Begeisterung stehen, weil es ja hauptsächlich an schnellen Ergebnissen interessiert ist, und nicht daran, wie sie zustandekommen. Und auch nicht immer daran, wie das Produkt langfristig betrieben und gewartet werden soll.
  4. Grundsätzlich gab es früher schon Tools, um schnell und mit wenig Programmierkenntnissen zu vorzeigbaren Ergebnissen zu kommen („Rapid Application Development", „Low Code" usw., was auch immer das aktuelle Buzzword ist), diese waren aber deterministisch im Gegensatz zu natürlicher Sprache.
  5. Natürliche Sprache ist unpräzise und doppeldeutig im Vergleich zu Programmcode und dadurch entstehen Fehler. Fehler entstehen aber auch so. Wo Software entwickelt wird, entstehen immer Fehler. Mehr oder weniger. Es geht darum, sie schnell zu finden, je früher, desto kostengünstiger und nervenschonender ist die Behebung.
  6. Das „Vibe Coding" kam mir jetzt manchmal so vor, als hätte ich einen immer freundlichen und willigen Junior-Entwickler zur Verfügung, der im Prinzip alles auswendig weiß, aber ein bisschen schusselig ist, beaufsichtigt werden muss und auch nur zwei Stunden am Tag arbeiten kann (im kostenlosen Plan von Claude...)
  7. Man begibt sich stark in Abhängigkeiten und gibt Produktionsmittel aus der Hand, wenn man ohne KI nichts mehr entwickeln kann. LLMs von Grund auf aufsetzen und trainieren können aufgrund der immensen benötigten Rechenleistung nur große Unternehmen.
  8. Es wurde schon viel darüber geschrieben, das die ganze Technologie strukturell „rechts“ oder konservativ sei (weil z.B. immer nur vorhandene Kulturgüter wiedergekäut werden, anstatt etwas wirklich neues zu schaffen), aber ein entscheidender Aspekt fehlt da noch: Man gewöhnt sich daran, Befehle zu geben, die widerspruchslos befolgt werden.
  9. Etwa das, was Jürgen Geuter hier als „Reibungslosigkeit" bezeichnet. Die Illusion einer Welt, die auf einen zugeschnitten ist. Dabei brauchen wir die „Reibung“, um die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und zu sozialen Wesen zu werden.
  10. Du hast etwas, das deine Befehle stets willig ausführt. Das dir nie widerspricht. Ich habe noch keine KI gesehen, die mir gesagt hat „Nein, das geht so nicht. Überleg dir etwas anderes." Ich habe noch keine KI mit einer Meinung gesehen. Das muss irgendwann auf den Umgang mit Menschen abfärben.
  11. Ich kann jetzt besser nachvollziehen, wie die Musks und Thiels denken.

Das waren die Gedanken vor zwei Wochen. Ich habe noch mehr zu sagen, aber das wird sicher auch nicht der letzte Artikel zu diesem Thema sein. Jetzt lasse ich mir für dieses „Blog" mal von der KI ein hübsches CSS generieren und lasse die Rechtschreib- und Satzbaufehler stehen, denn dieser Text selbst wurde nicht von einer KI geschrieben 🙂